Facebook Twitter Instagram TikTok Youtube LinkedIn Whatsapp
DE | EN
Menu Menu
© Christian Hofer

Alfred Tatar: "Es wird die Unabsteigbar-Tour 2012"

16. Januar 2012 | Kampfmannschaft zur Übersicht >

Rituale, Rotationen und Russisch-Kenntnisse.

Vienna-Trainer Alfred Tatar nahm sich zum Interview-Auftakt der "Blau-gelben Fragestunden" reichlich Zeit, um die an ihn gerichteten Fragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.

Drei Tage hatten die Vienna-Fans Zeit, um uns ihre Fragen via Facebook, Twitter oder per E-Mail zukommen zu lassen. Ein paar haben wir auch aus dem ASB genommen.

Die zahlreichen Fragen wurden gesammelt, geordnet und dem blau-gelben Chefcoach am Freitagnachmittag gestellt. Hier ist das Ergebnis:

 

Herr Tatar, ASB-User Michel benötigt für den Skiurlaub einen Dolmetscher. Sprechen Sie russisch?

Alfred Tatar: Ja, spreche ich. Aber nur rudimentär.

 

Ernsthafter. Betreiben Sie selbst auch Sport oder reicht es Ihnen, ein wenig mit der Mannschaft mitzutrainieren? Und was wären Sie gerne geworden, wenn Sie nicht Fußballer, Trainer oder Analyst geworden wären?

Ich trainiere die Mannschaft, ich trainiere nicht mit der Mannschaft. Selbst gehe ich des öfteren laufen, sollte aber mehr in die Kraftkammer gehen, bin dafür aber leider etwas zu wenig motiviert.

Was die Frage nach der alternativen Berufswahl angeht: Ich habe viele Interessen, speziell naturwissenschaftlicher Art. Eine Karriere als Biologe oder Physiker wäre in die engere Auswahl gekommen.

 

Ein paar Fragen, die @ShtoppGlazer via Twitter gestellt hat: Haben Sie als Trainer ein Vorbild und wenn ja, wer wäre das?

Leopold Stastny, der den entscheidenden Satz gesagt hat: "Wenn du gewinnst, kannst du sagen, im Oasch ist's finster, und alle werden dir zujubeln". Spaß beiseite: Ich bin von Sir Alex Ferguson begeistert. So lange auf so hohem Niveau durchzuhalten ist fantastisch. Der Mann ist ein Genie.


Gibt es Rituale, die Sie vor einem Spiel pflegen?

Ja, getreu dem Motto "Verändere nie ein erfolgreiches Verhaltensmuster" gehe ich zum Beispiel den selben Weg auf die Hohe Warte, wenn wir im vorangegangen Heimspiel erfolgreich waren. Es gibt viele Rituale: immer mit dem rechten Fuß aufstehen, ein weiches Ei zum Frühstück, den Kaffee nach dem Mittagessen ohne Milch.. Aber um die Wahrheit zu sagen: Ich glaube nicht an "helfende" Rituale.

 

Wie unterscheidet sich die Vienna, für die Sie gespielt haben, von der Vienna, die Sie jetzt trainieren? 

 Um Welten. 1986 war Fußball noch eine andere Sportart. Regeländerungen, veränderte Trainingsmethoden, zunehmende Athletik, das Bosman-Urteil und vieles mehr haben den Fußball enorm verändert. 1986 gab es keine Sekunde Zweitliga-Fußball im Fernsehen, heute läuft das stundenlang. Der Fußball hat sich auch auf Vermarktungs- und Medienebene enorm weiterentwickelt, Weltmeisterschaften zum Beispiel sind heute auch in dieser Hinsicht kein Vergleich zu damals.

 

Noch mehr Fragen aus dem ASB, diesmal von FemFan: Können Sie sich daran erinnern, wann Sie das erstemal in Ihrem Leben die Hohe Warte betreten haben?

Ja, kann ich mich erinnern. Das war im Jahre 1975, beim Meisterschaftsspiel in der zweiten Division, Vienna gegen Wr. Neustadt. Ich war als 12-Jähriger sehr beeindruckt. Gestanden bin ich übrigens auf der Naturtribüne, von der Haupttribüne aus gesehen eher links. Es waren etwa 2000 Zuschauer da. Hevera hat damals brilliert.

 

Schauen Sie, wie angeblich Peter Stöger, Peter Schöttel und viele Ihrer Trainerkollegen, auch nicht in Fanforen?

Nein, da bin ich bei meinen Kollegen.

 

Hätte Arnautovic bei Ihnen ein Leiberl?

Ja. Hätte er. Fußball lebt von Persönlichkeiten, in erster Linie allerdings von sportlich prägenden. Aber man braucht auch Persönlichkeiten die auch z.B. Emotionen auf sich ziehen, ob positiver oder negativer Natur. Fußball muss in gewisser Weise auch polarisieren, und das tut Arnautovic.

 

Peter Behling hat eine philosophiebezogene Frage gestellt: Wollen Sie eher mit einem festen Stamm, d.h. ohne gravierende Änderungen spielen, oder bevorzugen Sie eher eine Rotation?

Da muss man zwischen Rotation und Substitution unterscheiden. Rotation bedeutet, dass mehrere Mannschaftsteile einer Schonung zugeführt werden, was gewisse Kapazitäten voraussetzt. Rotation kann es nur bei Klubs mit entsprechendem Spielerreservoir geben und hängt auch mit dem Belastungsniveau zusammen, dass z.B. bei Bayern München - Champions League, Bundesliga, Cup - natürlich ein anderes ist, als bei der Vienna.

Bei einem Verein wie der Vienna ist Rotation keine Option. Werden einzelne Spieler ausgewechselt, sprechen wir über Substitution. Die gibt es, vorwiegend wegen Verletzungen.

 

Stellen Sie die Spieler individuell auf das jeweilige Spiel ein bzw. geben Sie manchen Spielern „Freiheiten“ oder zweckgebundene Aufgaben (z.B. Manndeckung)?

Man kann und muss Fußball nicht neu erfinden. Die meisten Vorgänge sind für Spieler Routine. Aber es gibt die Spieltaktik, das heißt man versucht, aufbauend auf eigenen Stärken und Schwächen des Gegners, Erfolg zu haben. So gesehen kriegen Spieler - nicht alle, aber manche - natürlich gewisse, spezielle Aufgaben. Aber sicher nicht Manndeckung, die ist - außer bei Standardsituationen - nicht mehr zeitgemäß.

 

Harald Lankisch erscheinen Outeinwürfe auf der linken Seite fehleranfällig und fragt, ob bei uns statistisch erfasst und analysiert wird, wieviele Kilometer ein Spieler zurücklegt, wieviele Ballkontakte er hat, Fehlpasses, Zweikämpfe etc.?

Ich denke, diese Daten sind in erster Linie für Medien und ihre Spielanalysen in den entsprechenden Formaten von Relevanz. Trainer geben sich mit diesen Dingen eher nicht ab, weil das rein quantitative Zahlen sind und wenig Relevanz für die Leistung haben. Die qualitative Analyse zählt, und die ergibt sich aus Dingen wie "Was waren z.B. Spielphilosophie und Taktik und wie haben sich Spieler innerhalb dessen bewegt." Es gibt eine ganze Reihe von Analysen (z.B. Fehleranalysen, bei denen Art und Grund genau unter die Lupe genommen werden), die ein Trainer macht, aber die quantitative ist vergleichsweise unwichtig.

 

Vincent Mateyka lässt via Facebook fragen, was an dem Gerücht dran ist, dass Sie in der Winterpause englische Top-Clubs besucht haben und ob wir Verstärkungen von der Insel erwarten können.

Ja, ich war in London. Allerdings habe ich keine Karten für Spiele bekommen, da um den Boxing Day herum alles ausverkauft war. Ich habe mich dann mit dem London Eye und Madame Tussauds zufrieden gegeben. Dort habe ich zwar Beckham und Ronaldo gesehen, leider aber nicht Dospel und Mair.

 

Ein Attribut, das dem englischen Fußball zugeschrieben wird, ist ein großes Maß an Kampfgeist. Viele Fans hatten im Herbst den Eindruck, dass etliche Spieler ohne blau-gelbes Herz am Spielfeld waren (und das den Ausschlag in den Begegnungen mit z.B. Hartberg oder Lustenau gegeben hat). Wo wird in der Vorbereitung der Hebel angesetzt, damit die Fans diesen Eindruck ab sofort nicht mehr erleiden müssen?

Das blau-gelbe Herz... diesen Eindruck kann ich so nicht bestätigen. Vom Einsatz her haben die Spieler schon gegeben, was sie konnten, aber aufgrund der miesen Verletzungsgeschichte, den fürchterlichen Handspielen und weiterer Vorkommnisse war der Knacks ein psychischer.

Diese negative Spirale haben wir nicht wegbekommen. Wo wir im Frühjahr ansetzen, ist vom ersten Training weg eine positive Erlebniswelt herzustellen. Verstärkung von positiven Leistungen und Gefühlen. Durch die längere Vorbereitung jetzt haben wir Zeit, auf diese Dinge einzugehen. Die hatten wir im Sommer nicht. Da ist dann alles zusammengekommen. Man wird im Frühjahr definitiv eine Mannschaft sehen, die mit sehr viel blau-gelbem Herz spielt.

 

Wolfgang Partsch würde gerne wissen, ob man die Konkurrenz unterschätzt hat (Stichwort: "Solides Mittelfeld").

Die Vienna hat sich auf sich selber konzentriert. Aufgrund der Kaderstruktur hätte man annehmen dürfen, dass wir uns im gesichterten Mittelfeld bewegen werden. Warum das nicht eingetreten ist, haben wir vorhin erläutert. Wir werden nach wie vor nicht auf den Gegner schauen und in Ehrfurcht erstarren, sondern versuchen unser Potential auszuschöpfen. Prinzipiell ist jeder Gegner in dieser Liga zu schlagen, was wir ja auch schon bewiesen haben.

 

Noch einmal etwas anders (nach Luis Enrique, ASB) formuliert: Wie glauben Sie im Frühjahr plötzlich die Trendwende zu schaffen, obwohl man von den Voraussetzungen durchaus auch im Herbst schon in der Lage hätte sein sollen, einen soliden Mittelständler à la St. Pölten zu geben?

Wir schaffen die Trendwende aufgrund der längeren Vorbereitung, in der wir acht Wochen Zeit haben um psychische Stabilität und körperliche Voraussetzungen zu schaffen. Es wird die eine oder andere Neuerwerbung geben (Anm.: Der Transfer von Florian Sturm war zum Zeitpunkt der Fragestellung noch nicht bekannt) und ich hoffe, dass wir vom Verletzungspech nach diesem utopischen Herbst verschont bleiben.

 

Warum wurde der Vertrag mit Beciri aufgelöst? Die schiefe Optik in Bezug auf seine Hands ist dem Fragesteller - M&M Peschka via Mail wohl bewusst, trotzdem war Beciri seiner Meinung nach der beste Verteidiger des gesamten letzten Jahres und wurde auch bis dato nicht adäquat ersetzt.

Beciri war im Frühjahr stärker als im Herbst, was nichts daran ändert, dass ich grundsätzlich mit ihm zufrieden war. Aber: Ein Spieler, der innerhalb eines halben Jahres zwei kapitale Handspiele macht, ist, wenn er es unabsichtlich macht (wovon ich zu 100% überzeugt bin), ein Gefahrenherd.

Wäre es Absicht (was ich nicht glaube), wäre die Sache sowieso klar. Beciri ist grundsätzlich ein guter Verteidiger, aber er ist ein Gefahrenherd, und das geht nicht. Ersetzen werden wir ihn intern. Wir haben zwei bis drei Spieler, die diese Position spielen können.

 

Christopher Lassnig würde gerne wissen, warum Andreas Tiffner in Ihren Planungen keine Rolle mehr spielt.

Ich möchte zu einzelnen Personalien keine detaillierte Stellungnahme abgeben.

 

Schauen wir noch ein Stück weiter zurück und kommen zu ein paar Fragen von Luis Enrique (via ASB): Warum haben Sie in einem Spiel mitten im Abstiegskampf (Anm.: Austria Lustenau auswärts am 12.4.2011) auf den mit Abstand besten Scorer sowie einen Ersatztorhüter verzichtet, obwohl das Vergehen dieser Spieler durchaus auch - wenn überhaupt - mit einer Geldstrafe geahndet hätte werden können?

Um etwas klarzustellen: Ein Verein stellt ein Budget auf, teils durch Sponsoren, teils mit Fernsehgeldern, teils mit Präsidentengeldern. In diesem Verein arbeiten Menschen, der Verein ist ihr Arbeitsplatz. Ob dieser gesichert ist oder nicht, hängt davon ab, dass man eine Liga hält. Bei dem Spiel damals ist es darum gegangen, den Verein in der Liga zu halten, um Arbeitsplätze zu sichern. Frage: Ist ein Kartenspiel um Geld - wo es also das Ziel ist, seinem Partner (mit dem ich im Match dann gemeinsam kämpfen soll!) möglichst viel Geld abzunehmen - vier Stunden vor Spielbeginn die richtige Vorbereitung? Ich sage: Die Antwort ergibt sich von allein.

 

Warum haben Sie am Ende der letzten Saison über mehrere Spiele hinweg - noch dazu ganz wichtige gegen die unmittelbaren Gegner im Kampf um den Klassenerhalt - auf einen Spieler wie Philipp Hosiner - der kurze Zeit später sogar ins österreichische Nationalteam einberufen wurde - verzichtet, obwohl es keinen auch nur ansatzweise adäquaten Ersatz gab und dieser Spieler sowohl vor als auch nach seiner Suspendierung immer ansprechende Leistungen brachte?

Ich möchte festhalten, dass das keine Suspendierung war. Vertragsdetails von Hosiner und das Verhalten der Admira haben mich zu diesem Spiel gezwungen. Der Spieler war eine arme Sau, weil er Spielball eines Vereins war, der sich - vornehm gesagt - nicht gentlemanlike verhalten hat.

 

Haben Sie sich bei Ihren Entscheidungen in der Vergangenheit immer gedacht, dass Sie aus sportlicher Sicht am besten für die Vienna sind?

Viele Entscheidungen sind das Produkt vielschichtiger Gedankengänge über ein Problem. Höchste Priorität hat der Erfolg des Teams, alle anderen Dinge zählen weniger. 

 

Kommen wir zurück in die Jetztzeit: Wie fühlt es sich an zum Trainingsauftakt zu blasen, wenn - wie kolportiert - die letzten Gehälter nur schleppend ausgezahlt wurden.

Die Spieler machen ihre Arbeit 100%ig korrekt, die erste Vorbereitungswoche hat sich gut angefühlt. Ich sehe großes Engagement und Arbeitseifer bei den Spielern.

 

Kommen noch irgendwelche namhaften Verstärkungen (Tor, Verteidigung, Sturm) oder wie gedenken Sie, den Verbleib in der Liga zu schaffen, wenn dieselbe Mannschaft mit Beciri, Kienzl, Mattes und  Jelenko gerade den 9. Platz erreicht hat und diese Spieler nicht mehr zur Verfügung stehen?

Mattes und Jelenko sind seit Anfang Januar beim Bundesheer, wären uns im Frühjahr nur äußerst eingeschränkt zur Verfügung gestanden. Mattes hat außerdem von sich aus einen Vereinswechsel gewünscht. Über Beciri haben wir schon gesprochen.

Wir werden für die verbleibenden 15 Runden eine wettbewerbsfähige Mannschaft hinstellen. Die erste Verpflichtung, Florian Sturm, sichert unsere linke Verteidigungsseite. Durch die Systemumstellung auf 4-2-3-1 und den noch zu tätigenden Verstärkungen bin ich überzeugt, mit 14-15 Spielern über die Runden zu kommen.

 

Ist der Verbleib von Djokic, Markovic und Salvatore fürs Frühjahr gesichert?

Sie sind fest eingeplant. Es war von meiner Seite nie ein Thema, sie abzugeben.

 

Werden Sie die jungen Spieler, die von den Amateuren aufrücken, verstärkt zum Einsatz kommen lassen?

"Jung" ist kein Fußballeradjektiv. Es steht nur der Erfolg des Teams im Vordergrund. Die Spieler, die am meisten Mithelfen können, um ein gutes Frühjahr zu spielen, werden dabei sein.

 

Welchem jungen Kaderspieler bescheinigen Sie denn das größte Potenzial?

Es gibt einige Spieler mit Potential, ich will allerdings keine Namen nennen, da ich weiß, dass sich Spieler  - im Gegensatz zu mir - durchaus in Fanforen tummeln und bei entsprechender Namensnennung meinerseits und nachfolgender Diskussion wahlweise enttäuscht sind, oder abheben.

 

Dann nehmen wir die Vienna mal aus: Die drei besten Stürmer/Mittelfeldspieler/Verteidiger der Liga sind?

Es steht mir nicht zu, über Spieler anderer Vereine in der Öffentlichkeit Kommentare abzugeben.

 

Haben Sie die Zusicherung, auch in der Regionalliga weiter die Mannschaft betreuen zu dürfen?

Nein.

 

Kommen wir zum Abschluss: Why is Vienna a mission possible?

Because we have done it before, and yes we can do it again. Die Frühjahrssaison muss für uns zur  "Unabsteigbar-Tour 2012" werden.

 

Welchen Tabellenrang wird die Vienna also am Saisonende einnehmen?

Acht, aufwärts.

 

Trainer Alfred Tatar, vielen Dank für das Gespräch!