Vienna-Präsident Herbert Dvoracek nahm sich in der zweiten Runde unserer "Blau-gelben Fragestunden" Zeit, um die zahlreichen an ihn gerichteten Fragen zu beantworten.
Im ausführlichen Interview räumt der Präsident mit Rücktrittsgerüchten auf, schätzt die Chancen auf den Klassenerhalt auf 90% ein und bezieht zur finanziellen Lage des Vereins Stellung.
Fem Fan (ASB): Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das erste Mal die Hohe Warte betreten haben?
Herbert Dvoracek: An das genaue Datum kann ich mich nicht mehr erinnern, ich war damals mit dem Heinz Havelka dort und von der Hohen Warte sofort beeindruckt.
David Behling (FB) und David Aut (ASB) fragten: Woran liegt es, dass die Vienna Jahr für Jahr bei einem eigentlich sehr starken Grundgerüst (Achse Dospel-Markovic-Djokic) keine funktionierende Mannschaft findet und immer gegen den Abstieg spielt? Warum wirkt es so, dass es unseren Kontrahenten (Hartberg, Lustenau) immer wieder mit „No-Names“, die das Herz in die Hand nehmen, gelingt, sich vor uns in der Tabelle zu platzieren?
Genau an diesen Fragen arbeiten wir ständig, ich gehe aber davon aus, dass wir am Ende dieser Saison vor unseren direkten Kontrahenten stehen werden.
Roche (ASB): Auf welche Punkte legen Sie bei der Auswahl von Spielern bzw. dem Trainerteam besonders wert?
Ich wähle die Spieler nicht selbst aus, das ist Aufgabe des Trainerteams. Bei der Auswahl der Trainer lege ich großes Augenmerk auf die Attribute Ehrlichkeit und Engagement. Eine fundierte Trainerausbildung ist dabei natürlich Voraussetzung.
Firstvienna66 (Mail) und David Aut (ASB) fragten: Sind Sie zufrieden mit dem Kader (Stand 23.01.2012) und wer wird noch geholt, um die Unabsteigbar-Tour 2012 erfolgreich zu absolvieren?
Der Kader ist nicht fertig, weil einige Schlüsselpositionen noch offen sind. Das wird bis 31.1. aber erledigt sein (Anm.: Ist es mitterweile).
Helmut Handler-Kunze (FB): Mit welchem Prozentsatz würden Sie die Chance auf den Verbleib in der Liga beziffern?
90% - wenn alle gesund bleiben und wir nicht wie im Herbst einige Leistungsträger vorgeben müssen.
Helmut Handler-Kunze (FB) und Harald Lankisch (Mail) fragten: Welche strategische Perspektive verfolgt die Vienna im Falle des Klassenerhalts? Wird ein echter sportlicher Leiter (Sportdirektor) á la Parits, Hochhauser, Hörtnagl bestellt? Wäre dies nicht eine Lehre, die man aus dreijährigem Abstiegskampf ziehen müsste?
Eine Lehre ist es nicht unbedingt. In den Jahren vor dem Aufstieg gab es immer einen sportlichen Leiter und die Vienna ist nicht aufgestiegen. Garant ist ein Sportdirektor also keiner. Wir verfolgen aber mehrere strategische Perspektiven.
David Aut (ASB): Wie viele Spieler der Ersten Mannschaft stehen der Vienna im Abstiegsfall für die nächste Saison zur Verfügung? und welche?
Der Fokus liegt auf der Unabsteigbar-Tour 2012. Aber selbst im Falle des Abstiegs werden wir eine Liga-adäquate Truppe haben.
David Aut (ASB): Man sieht Sie sehr oft bei den Amateuren, wie würden Sie damit umgehen wenn die Amas zum Saisonende Meister sind und die Erste ihnen den Aufstieg verbaut?
Wir gehen davon aus, dass unsere Kampfmannschaft die Liga hält und über einen Aufstieg der Amateure, würde ich mich sehr freuen.
Wolfgang Partsch (Mail): Abseits vom Sportlichen gibt es viele unschöne Diskussionen (Stichworte: Wettbetrug, Ukraine-Affäre, Rücktritts-Gerüchte). Wo sehen Sie die Ursachen dafür? Haben Sie einen Masterplan für eine Trendumkehr und wie sieht dieser aus?
Die Vienna arbeitet in Sachen "Wettauffälligkeiten" mit der Bundesliga, dem ÖFB und den Behörden zusammen und ist um eine rasche Aufklärung bemüht. Leider werden aber auch viele Gerüchte bewusst gestreut.
Bobby (Mail): Die Vienna hat den Ruf, immer gute Nachwuchsspieler auszubilden. Wurden die Ressourcen im sportlichen und im wirtschaftlichen Bereich vollständig genutzt?
Nein, sicher nicht. Aber wir arbeiten daran, dass die Ressourcen in Zukunft besser genutzt werden. Die nächsten Schritte in dieser Richtung sind für den Sommer geplant.
Marco Stein (FB), Thomas Fian (Twitter) und Wuchtelschieber (ASB) fragten: Die zweite Liga in Österreich ist sehr teuer. Woran denken Sie liegt es, dass viele Erste-Liga-Vereine, so wie auch die Vienna, in finanziellen Schwierigkeiten sind und Jahr für Jahr um ihre Lizenz kämpfen müssen?
Weil die Kosten fast gleich hoch sind, wie in der tipp3-Bundesliga, die Einnahmen aber deutlich geringer. Allein die Infrastruktur-Kosten sind für uns gigantisch.
Helmut Handler-Kunze (FB) und Istvan Who (ASB) fragten: Es kam und kommt in den letzten Monaten bei der Vienna zu Zahlungsschwierigkeiten und die Mitarbeiter warten lange auf ihre Gehälter. Wie ist es zu diesem Engpass gekommen? Wie kann man ihn bewältigen?
Ein großes Sponsorprojekt hat sich verschoben, so ist dieser Engpass zustande gekommen. Das ganze Umfeld arbeitet daran, das Loch zu schließen.
Istvan Who (ASB): Inwiefern beeinträchtigt dieser aktuelle Engpass den Lizenzantrag für kommende die Saison?
Überhaupt nicht.
Istvan Who (ASB): Es herrscht große Unklarheit bezüglich der Verpflichtungen, welche die IG Immobilien gegenüber der Vienna zu erfüllen hat. Liegen hier stichhaltige schriftliche Verträge vor, auf die sich die Vienna berufen und deren Inhalt sie notfalls einklagen kann, um die Erfüllung zu erzwingen? Zu Leistungen in welchem jährlichen Ausmaß hat sich die IG überhaupt verpflichtet?
Die IG hat bisher alle Verpflichtungen eingehalten und selbstverständlich gibt es einen Vertrag, der von uns kontrolliert wird.
Istvan Who (ASB): Ist die Begleichung der ausstehenden 60.000 € für den Trainingsplatz mittlerweile geklärt?
Ja, diese Sache ist geklärt und wir sind stolz, dass wir den Kunstrasenplatz haben, weil er ein wichtiger Baustein unserer Infrastruktur ist.
Istvan Who (ASB) und Firstvienna66 (Mail) fragten: Was ist konkret beim Hosiner-Transfer abgelaufen, warum wurde der Spieler nicht im so wichtigen Meisterschaftsfinish eingesetzt (Zitat Tatar: 'Admira hat sich nicht gentlemanlike verhalten, Hosiner war eine arme Sau')? Und wie hoch war die durch den Hosiner-Transfer erzielte Ablösesumme?
Über die Höhe der Ablösesumme wurde vertragliches Stillschweigen vereinbart. Es war, wie der Trainer richtig sagt, eine schwierige Situation. Ist aber in Österreich kein Einzelfall, siehe auch Thomas Hopfer.
Peter Behling (Mail): Werden Sie im schlechtesten Fall (Abstieg) weiterhin zur Verfügung stehen?
Ich bin bis 2013 gewählt und zumindest so lange werde ich auch bleiben. Aufstieg, Umstieg, Überstieg - egal.
Helmut Handler-Kunze (FB): Ist die Vienna in Ermittlungen bezüglich der Causa "Wettbetrug" involviert?
Wie bereits erwähnt arbeiten wir mit der Staatsanwaltschaft zusammen und sind um eine rasche Aufklärung bemüht.
Fem Fan (ASB): Halten Sie eigentlich Kontakt zu ihrem direkten Vorgänger, dem nunmehrigen Ehrenpräsident Wala, oder er mit Ihnen?
Wir stehen nur in sehr losem Kontakt.
Wuchtelschieber (ASB): Es wurde mittlerweile bestätigt, dass im Juni 2007 Geld - immerhin 500.000 € - vom kasachischen Fussballverband an die Vienna geflossen ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Was war die Leistung?
Das weiß ich nicht, das war vor meiner Zeit (Anm.: Herbert Dvoracek ist seit Ende Mai 2009 Präsident der Vienna).
Harald Lankisch (Mail): 2009 ist die Vienna aufgestiegen und hatte nun drei Jahre Zeit, professionelle Strukturen zu erarbeiten. Konnten wir die Strukturen von erfolgreichen Großclubs studieren und davon auch etwas abschauen? Welche Abteilungen fehlen uns da nicht nur am Papier?
Genau das haben wir am Anfang versucht, aber das ist nicht finanzierbar, da wir nicht die öffentliche Unterstützung haben. Den großen Clubs stehen andere Mittel zur Verfügung, das ist leider nicht vergleichbar.
Ein paar Fragen über die im Freunde-Forum gestreuten "Insider"-Informationen ...(sic!)
- Wie sehr ärgert Sie, wenn interne Informationen, bzw. als solche präsentierte Informationen, in Fanforen auftauchen?
Wir setzen uns vereinsintern damit auseinander, mich persönlich belangen diese Dinge aber nicht mehr, weil ich keine Foren mehr lese.
Ist, Ihrer Meinung nach, der Vienna dadurch Schaden entstanden, wenn ja welcher?
Dass versucht wird, Unruhe in den Verein zu bringen, ist evident. Ob und wieviel Schaden dadurch ensteht, darüber kann man nur spekulieren.
Wissen Sie welche Person(en) hierbei am Werk sind?
Ja, teilweise.
Vincent Mateyka (FB): Nikolaus Dvoracek ist zwar nicht mehr Teil der Vienna-Mannschaft, trotzdem eine Frage zu seiner Person. Er war in unregelmäßigen Abständen am Spielfeld zu sehen, obwohl er objektiv gesehen keine Verstärkung, sondern eher eine Belastung für die komplette Mannschaft war (Meinung eines Skyreporters: "nicht einmal Stadtliganiveau"). Hat Ihr Sohn einen gewissen Vorzug gehabt, als Sohn des Präsidenten. Wenn ja, warum?
Das werden wir heute sehen (Anm.: Das Testspiel gegen den NAC, den neuen Verein von Nikolaus Dvoracek, stand auf dem blau-gelben Abendprogramm). Im Nachhinein gesehen war die Situation sowohl für ihn als auch für mich ein Nachteil.
Herr Winkler (Mail): Bezugnehmend auf ihre Aussagen über die Spieler in der Kronen Zeitung vom 24.01.2012, wie viel Kontakt hatten Sie während der Herbstsaison – abgesehen von dem Draht zu ihrem Sohn Niko Dvoracek - zu den Spielern der Vienna-Kampfmannschaft?
Ich hatte und habe mit den Schlüsselspielern laufend Kontakt.
Roche (ASB): Macht Ihnen der Job als Vienna-Präsident noch Spaß?
Es ist manchmal nicht einfach, aber ja, grundsätzlich schon.
Roche (ASB): War es aus heutiger Sicht betrachtet ein Fehler, die Präsidentschaft zu übernehmen?
Nein, es war kein Fehler.
Roche (ASB): Wieviel Zeit (ca. pro Woche/Monat) wenden Sie für die Vienna auf? Wieviel von Ihrem Geld haben Sie in die Vienna investiert, bzw. der Vienna gespendet?
Das kann ich nicht sagen. Letzte Woche waren es etwa 7 bis 8 Stunden an Gesprächen.
Helmut Handler-Kunze (FB), Michel (ASB): Gibt es Pläne, mit dem NAC eine Kooperation einzugehen? Wenn ja, wie würde diese im blau-gelben Idealfall aussehen und was ist an dem Gerücht dran, dass der NAC-Präsident Toplak das Ruder bei der Vienna übernimmt?
Ich habe keine Gespräche geführt. Es gibt eine lose Kooperation mit Spielern - siehe Dvoracek und Bjelovuk - wenn man sich gegenseitig helfen kann. Ich weiß nichts davon, dass Toplak bei der Vienna groß einsteigt.
Markus Glaser (Mail): Während die Stadt den Ausbau der Infrastruktur der beiden Großklubs finanziell unterstützt, plagt sich die Vienna mit hohen Betriebskosten. Wie schauen die Kontakte der Vienna zur Stadtpolitik aus und welche Schritte unternimmt man konkret, um in Zukunft möglicherweise auch selber in den Genuss von Zuschüssen der "Sportstadt" Wien zu kommen?
Wir haben sehr viel Kontakt mit dem Sportstadtrat, nur sind die derzeitigen Möglichkeiten für die Vienna - bescheiden gesagt - nicht vorhanden. Bereits vor meiner Zeit gab es ein Zerwürfnis, so dass die Drähte komplett abgerissen sind. Wir arbeiten aber daran, die Kontakte wieder herzustellen.
Up the Bohs (ASB): Wann wird die nächste Generalversammlung sein?Haben Sie die Absicht, wieder als Präsident und/oder Präsidiumsmitglied zu kandidieren und wenn ja, welche notwendigen positiven Veränderungen ihrer präsidentiellen Tätigkeit fassen Sie im Falle Ihrer Wiederwahl ins Auge?
Die nächste Generalversammlung findet am 27.2.2012 statt, ich bin bis 2013 gewählt und werde zumindest bis dahin der Vienna zur Verfügung stehen.
Clemens Hager (Mail): Wo sehen sie die Vienna in der Jubiläumssaison 2014/15 und wo würden sie sie gerne sehen?
Ich würde sie gerne im gesicherten Mittelfeld der Ersten Liga und auf wirtschaftlich gesunden Beinen sehen.
Helmut Handler-Kunze (FB): Das liegt nach ihrer aktuellen Amtszeit. Sehen Sie sich da, oder darüber hinausgehend, noch bei der Vienna?
Ich werde der Vienna mit Sicherheit verbunden bleiben, ob in der einen oder anderen Position, wird man sehen. Aber Stand heute werde ich der Vienna zu Verfügung stehen.
