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© Karen Rieder

Unterwegs im Abseits, Teil 6: Schwechat

22. Oktober 2014 | Fans zur Übersicht >

Bevor wir die Reise nach Schwechat antreten, möchte ich mich bei unserer motivierten und tollen Damenmannschaft entschuldigen. Ich habe in meiner Ankündigung des Superfußball-Sonntags mit dem legendären Auswärtsmatch unserer Blau-Gelben im Donaufeld und dem abendlichen Ländermatch nicht erwähnt, dass die Kampfmannschaft unserer Damen am Nachmittag ebenfalls dem runden Leder nachjagt. Ein Fauxpas der Sonderklasse. Noch dazu, wo mich die Sektionsleiterin Christine Hainzl ja durch sehr prägende Jahre meiner Jugend begleitet hat. Entschuldigung, Frau Fachlehrerin und Gratulation zum 7:4-Erfolg gegen Neusiedl am See am Super-Vienna-Fußball-Sonntag.

So! Nun aber auf nach Schwechat. Dem geneigten Leser werden dabei drei wesentliche Punkte sofort einfallen: Raffinerie, Flughafen und Bier. Dass diese drei Punkte nicht nur in Schwechat in besonderer Symbiose leben, liegt auf der Hand. Zuerst war da das Erdöl. Der Mensch kam dann irgendwann drauf, dass er dieses gut für dies und jenes brauchen könnte und begann es nun zu fördern und zu verarbeiten. Schwerstarbeit, die – egal zu welcher Zeit – nach ausreichend isotonischen Durstlöschern verlangte. Also musste schnell Bier her, um die Erdölverarbeiter mit Energie zu versorgen. Nun haben sie eifrig Kerosin hergestellt und somit den Grundstein für den Flughafen gelegt. Man sieht hier die beeindruckende Symbiose zwischen Erdöl, Bier und Luftfahrt, die uns dann in 3 bis 4 Jahren folglich auch zu unseren Champions League Auswärtsspielen bringen wird. Die Information über die massive Bedeutsamkeit Schwechats für unsere glorreiche sportliche Zukunft ist kaum noch zu toppen. Versuchen wir es trotzdem, denn es haben sich ja nicht nur Braumeister, Erdölverarbeiter und Piloten in Schwechat herumgetrieben und zu seiner Geschichte beigetragen.

Besonders eindrucksvoll trieben sich die alten Römer herum und prägten mit der Errichtung des Kastell Ala Nova einen Meilenstein der Schwechater Geschichte. Dieses Reiterkastell war für bis zu 500 Reiter (und bestimmt auch deren Pferde) ausgelegt und trug dazu bei, die – für damalige Verhältnisse und zu Pferde – weite Distanz zwischen Vindobona und Carnuntum immer mit frischem Pferd zurückzulegen. Natürlich diente das Kastell auch um im Ernstfall notwendigerweise intervenieren zu können. Da, wie bereits erwähnt, ja ohne Bier so gar nix funktioniert, ist es nicht weiter verwunderlich, dass ausgerechnet bei Erdaushubarbeiten für einen Bierkanal das Profil des Kastellgrabens und die Fundamente der Umfassungsmauer freigelegt wurden. Wenn ich früher gewusst hätte dass es Bierkanäle gibt, hätte ich unseren lieben Roli weder nach Sollenau mit dem Kanalkahn schippern oder über die Alte Donau tretbooten lassen. Ein Bierkanal ist wohl der einzig wahre Wasserweg, der für nautische Abenteuer in blau-gelb geeignet wäre. Da ich jedoch befürchte, dass Roli irgendwann seekrank werden könnte, tue ich ihm diese Schifffahrt nicht an, sondern bedanke mich bei ihm für's Herhalten als „Fleischlaberlkapitän“. Übrigens: Die Ausgrabungen zum Kastell Ala Nova gehen munter weiter und werden neuerdings mit Georadarmessungen unterstützt. Wer sich diese archäologische Stätte ansehen will, soll doch bitte den Alanovaplatz in Schwechat aufsuchen. Aber nix mitnehmen, gell!

Die bewegte Geschichte Schwechats zeigt sich einmal mehr, wenn man einen deutlichen Sprung von der alten Römerzeit ins Jahr 1954 macht. Da wurde nämlich mit 8 jähriger Verspätung – aufgrund eines Einspruchs der sowjetischen Besatzungsmacht – die 1946 beschlossene Zurückgliederung in das Land Niederösterreich vollzogen. Der Amtsschimmel hatte den betroffenen Gemeinden damals blöderweise kein Mitspracherecht eingeräumt, sonst wäre Schwechat wohl auch heute noch Teil von Wien. Es erklärt aber auf jeden Fall, warum Schwechat nach wie vor im Wiener Fußballverband beheimatet ist, Schwechater Telefonnummern eine Wiener Vorwahl haben und warum man von Simmering mit einem Hüpfer in Schwechat ist. Es wurden damals die Katastralgemeinden Schwechat, Kledering, Mannswörth und Rannersdorf zur heute bekannten Stadtgemeinde zusammengeschlossen. Bemerkenswert sei dazu erwähnt, dass Schwechat, obwohl mitten im Gebiet „Wien Umgebung“ liegend, ein eigenes KFZ Kennzeichen (SW) führt.

By the way, woher kommt der Name Schwechat eigentlich? Der Name „Schwechat“ leitet sich vom Flussnamen "Suechanta" ab und bedeutet entweder „die Hervorströmende“ oder kommt von „suechan“ = stinken, da sich in Baden schwefelhaltige Quellen in sie ergossen. Ich bin ganz eindeutig für die erste Variante, obwohl ein bisschen Stinken entlang der Raffiniere ja nicht ganz so von der Hand zu weisen ist.

Adieu historisches Schwechat! Willkommen, Schwechat der Gegenwart. Fad wird einem nicht und sportlich nehmen es die Schwechater besonders ernst. Die großen sportlichen Erfolge gab es allerdings nicht unbedingt auf dem grünen Fußballrasen, sondern eher am grünen (oder heutzutage blauen) Tischtennistisch. Die Erfolgsgeschichte der SVS Tischtennis liest sich beeindruckend: 1 x CL-Sieg, 5 x CL-Finale, 13 Superliga-Titel in Folge und 14 österreichische Mannschaftsmeistertitel in Folge. Respekt, kann man da nur sagen. Über alle Grenzen hinaus bekannt hat das Schwechater Tischtennisgeschehen der – in China bereits zur Legende gekürte – Werner Schlager gemacht. Die nach ihm benannte und von ihm geführte Tischtennis Academy ist in Schwechat zu Hause und wird wohl noch viele Topsportler hervorbringen.

Da man sich in Schwechat indoor scheinbar besonders wohl zu fühlen scheint, wurde das moderne Multiversum errichtet, in dem erstmals auf österreichischem Boden die Tischtennis EM durchgeführte wurde, Basketball gespielt wird und mit den Austrian Open Championships das jährliche Highlight im internationalen Tanzsport-Kalender zelebriert wird. Schau an, die Austrian Open Championships sind die mit Abstand größte Tanzsport-Veranstaltung im zentraleuropäischen Raum. Hut ab!

Bislang kam das Wort Bier 7 x (also jetzt 8x) vor. Viel zu wenig, wie ich meine. Also widmen wir den Abschluss nun ganz ausführlich diesem erfrischenden Thema. Wie wir ja bereits wissen, gäbe es ohne Bier kein Kerosin, keinen Flughafen, keine Ausgrabungen zum Kastell Ala Nova, keine sportlichen Höchstleistungen in Schwechat und keine ordentliche Reisemöglichkeit zu den CL Spielen der Vienna in den kommenden 4 Jahren. Wie ist es aber dazu gekommen, dass gerade Schwechat so viel beim Thema Bier mitzureden hat? Zum einen weil bereits 1632 die Brauerei Klein-Schwechat errichtet wurde und zum anderen, weil der heute weltweit gängige Begriff des „Lagerbiers“ in Schwechat seinen Ursprung hat. 1841 lagerte man erstmals helles, untergäriges Bier bis zu seiner vollkommenen Ablagerung ein und lieferte das Getränk dann als „Klein-Schwechater Lagerbier“ nach Wien. Der Rest ist Geschichte. Bereits 1897 erzeugte die Brauerei die Riesenmenge von 739.639 Hektoliter Bier. Kein Wunder: es gab ja bereits seit 3 Jahren die Vienna! Es wäre an dieser Stelle übrigens hochinteressant zu wissen, ob im Gasthaus zur schönen Aussicht im Jahre 1894 „Klein-Schwechater Lagerbier“ ausgeschenkt wurde. Den ganz neugierigen unter uns sei gesagt, dass die Brauerei – ab einer Personenzahl von 10 Personen und bei Reservierung 14 Tage im Voraus – Führungen anbietet.

Schwechat ist wahrlich nicht nur die Stadt zwischen Wien und Flughafen, sondern ein echt bemerkenswertes Plätzchen mit viel Geschichte die man in einem Unterwegs im Abseits gar nicht unterbringen kann. Freuen wir uns auf das Rudolf-Tonn-Stadion in Rannersdorf, hinterlassen wir dort einen guten Eindruck aber keine drei Punkte.

Yes Sir, we will Boogie!

Euer Chrimi

Quellen: wikipedia, schwechater.at