Facebook Twitter Instagram TikTok Youtube LinkedIn Whatsapp
DE | EN
Menu Menu
© Vienna Archiv

Serie: 60 Jahre letzter Meistertitel - Rückschlag und Comeback (Teil 3)

25. Juni 2015 | Historisches zur Übersicht >

Serie: 60 Jahre letzter Meistertitel– der Weg zum Sechser!

von Alexander Juraske

Rückschlag und Comeback (Teil 3)

Als am 15. Mai 1955 die alliierten Besatzungsmächte und die österreichische Bundesregierung den österreichischen Staatsvertrag im Schloss Belvedere unterzeichneten, kämpften die beiden Titelaspiranten am Nachmittag um die Punkte in Dornbach. Dabei musste die Vienna Koller und Buzek vorgeben.

Auf dem tiefen, durch den Regen beeinträchtigten Boden, fand die Vienna nur schwer ins Spiel. Der Ausfall von Koller war gegen das spielfreudige Hernalser Mittelfeld nicht zu kompensieren und die Gastgeber gewannen verdient mit 4:1. Am Tag als Außenminister Leopold Figl seine berühmten Worte sprach: „Österreich ist frei!“ und ganz Österreich jubelte, hatte die Vienna die Tabellenführung an den Bezirksnachbarn verloren. Jetzt wartete in der nächsten Runde auch noch Rapid. Die Hütteldorfer hatten in der Zwischenzeit die Vienna auf den dritten Platz verdrängt. Koller war weiter nicht einsatzfähig, aber wenigstens machte die Rückkehr von Buzek den blau-gelben Anhängern Mut. Just an seinem 17. Geburtstag am 22. Mai 1955 sollte Rapid auf der Hohen Warte gastieren. Der junge Döblinger machte sich selbst das beste Geburtstagsgeschenk. Die erste Hälfte gestaltete sich noch sehr ausgeglichen und die Gastgeber gingen mit 1:0 in Führung. Nach der Pause kam der blau-gelbe Angriffswirbel ins Rollen und die Gäste kassierten noch vier „Bummerln“. Mittendrin der junge Buzek, der ein Tor selbst erzielte, ein Tor vorbereitete und einmal im Strafraum gefoult wurde. Den fälligen Strafstoß verwandelte Otto Walzhofer sicher. So schrieb die Arbeiterzeitung: „Vienna zeigte das bisher beste Spiel in dieser Meisterschaft. Diese jungen Stürmer kamen wie ein Ungewitter über die Verteidigung Rapids. Buzek lief, kämpfe, sprang und schoß, daß der Rapidabwehr Hören und Sehen verging. Ein großes Talent, das bei richtiger Führung noch viel erreichen kann.“

Anfang Juni 1955 kehrte auch Koller endlich wieder in die Mannschaft zurück und mit ihm feierten die Döblinger einen 10:2 Sieg über den FC Wien. Die Presse sprach von „Buzek Festsspielen“, der drei Tore erzielten und zwei weitere vorbereitete. Da die jungen Jericha und Pichler je zwei Tore erzielten, kamen die jungen Wilden zusammen auf sieben Tore in einem Spiel. Gleichzeitig verloren Rapid und Wacker ihre Partien und waren somit raus aus dem Kampf um den Titel. Die Entscheidung sollte jetzt zwischen dem Wiener Sport-Club und der Vienna fallen. Noch standen die Dornbacher mit zwei Punkt Vorsprung an der Spitze.

So versprach die 23. Runde wieder Hochspannung, traten doch die ersten vier Mannschaften in einer Doppelveranstaltung im Wiener Stadion an. Dabei bekamen es die Döblinger mit der starken Wacker zu tun, während der Wiener Sport-Club auf Rapid traf. Vor 30.000 Zuschauern im Stadion siegte die Vienna durch späte Tore die Meidlinger mit 3:2. Der Siegestreffer durch Pichler fiel – zwei Minuten vor Schluss – unter tatkräftiger Unterstützung von Wacker Tormann Pelikan. Wieder hatte auch Buzek getroffen. Da sich die Hütteldorfer und die Dornbacher unentschieden trennten, war die Vienna bis auf einen Punkt an die Tabellenspitze herangekommen.

Die Döblinger hatten die Verfolgung aufgenommen und wartete auf einen etwaige Patzer aus Hernals. Dieser sollte auch nicht zulange warten lassen. Als in der nächsten Runde die Vienna das Team von Austria Salzburg ungefährdet 3:0 besiegte, verlor der Wiener Sport-Club gegen Simmering mit 1:3. Zuhause auf ihrer „Had“ entpuppten sich die Simmeringer als veritabler Favoritenschreck, hatten sie ja auch schon die Döblinger dort entzaubert. Vor den verbleibenden zwei Runden, thronte jetzt wieder die Vienna mit einem Punkt Vorsprung an der Tabellenspitze.

Dramatik zum Schluss

Da in der vorletzten Runde beide Meisterschaftsaspiranten gewannen, sollte die letzte Runde am 25.06. 1955 die Entscheidung bringen. Die Ausgangslage war dabei klar. Sollte die Vienna ihr letztes Spiel gegen die Austria im Wiener Stadion gewinnen, so wäre der Meistertitel fixiert. Der Wiener Sport-Club musste auf einen blau-gelben Umfaller hoffen und seinerseits sein Spiel auswärts gegen den GAK gewinnen. Der härtere Brocken wartete auf die Döblinger. Doch die Vienna war siegesgewiss, vielleicht zu siegesgewiss. Die Vienna konnte aus der vollen breite des Kaders schöpfen und bot die „Stammelf“ des Frühjahrs auf: Schmied im Tor, in der Verteidigung das bewährte Trio Umgeher, Röckl und Nickerl, als Läuferduo Koller und Schweiger. Auch in der Stürmerreihe blieb mit Grohs, Walzhofer, Buzek, Jericha und Pichler alles unverändert. Den möglichen Meistertitel vor Augen starteten die Döblinger schwer in die Partie und ließen die Frische des Frühjahrs vermissen. Dies wurde in der fünften Minute durch einen ersten violetten Treffer sogleich bestraft. War dies schon schlimm genug für die blau-gelben Hoffnungen, traf zeitgleich auch der WSC in Graz. Damit hatte sich die Situation schon nach fünf Minuten schlagartig gedreht. Jetzt war die Vienna im Begriff, die vermeintlich sicher gewonnene Meisterschaft doch noch aus der Hand gegeben. Die violette Führung entsprach dem auch weiterhin dominanten Spielverlauf und beflügelte die eigene Mannschaft. Bei der Vienna war das Gegenteil der Fall und es hatte den Anschein, als würden sich die Döblinger mit Bleiwesten über den Platz bewegen.

Zwar konnte Grohs nach fünf Minuten ausgleichen. An der violetten Überlegenheit ändert sich jedoch nichts. In der Vienna Mannschaft wurde die Verunsicherung spürbar und auch der sonst so souveräne Torhüter Schmied ließ sich anstecken. Noch vor der Pause stellte Ocwirk auf 2:1 für die Austria. Jetzt wurden die Beine der Vienna Spieler noch schwerer. Auch nach der Pause versuchen die Döblinger zu kämpfen, zu rackern, aber sie taten es mit untauglichen Mitteln. Buzek wirkte überspielt, die Mannschaft ausgebrannt. Jetzt rächte es sich, dass Röckl angeschlagen in die Partie gegangen war. Der Vienna schien der Meistertitel endgültig zu entgleiten, da Mitte der zweiten Hälfte der dritte Treffer für die Violetten fiel. Die Vienna war geschlagen und mit dem Schlusspfiff begann das bange Warten. Der Bild-Telegraf schildert diese Geschehnisse: „ [Die] Funktionäre des WSC hatten von der Pressekabine des Stadions aus nach Graz einen Telefonsonderdienst eingerichtet. Die erste Hiobsbotschaft trug zwar nicht zur Hebung der Stimmung in der Döblinger Kabine bei, denn sie lautete: 20 Minuten vor Schluß führt der WSC 1:0. Die nächsten Minuten wurden den Spielern und Funktionären zur Qual. Da, mit einem Male der erste Hoffnungsstrahl. Der laufende Kurier meldete: Die Partie steht wenige Minuten vor Schluß 1:1. Die Aufregung stieg auf den Höhepunkt…und dann ein einziger Freudenschrei aus der Kehle eines treuen Döblingers, der die Wände des Stadions erzittern ließ: wir sind Meister, der WSC spielte in Graz nur 1:1 unentschieden! Spieler und Funktionäre der Vienna fielen sich um den Hals. Der Jubel war unbeschreiblich. Der Zeugwart der Vienna war ob des Glücks so gerührt, dass er in Tränen ausbrach.“

Am Ziel der Träume

Die Döblinger hatten es geschafft, nach zwölf Jahren fuhr das Team von Trainer Hofmann die sechste Meisterschaft ein. Punktegleich gegenüber dem Sport-Club sicherte sich die Vienna mit 39 Punkten aus 26 Spielen mit der um drei Tore besseren Tordifferenz den Titel. 17 Siege hatten die Döblinger gefeiert und dabei nur 26 Tore hinnehmen müssen. Bester blau-gelber Torschütze war Otto Walzhofer mit 19 Treffern gewesen. Der junge Buzek schoss acht Tore in sieben Spielen. Er blieb bis 1963 auf der Hohen Warte und erzielte insgesamt unglaubliche 314 Treffer in 320 Spielen.

Über eine lange Meisterschaftsperiode erfolgreich zu sein, kann nicht monokausal erklärt werden. Viele Dinge spielten dabei eine Rolle. Einerseits die Mannschaft selbst. Tormann Kurt Schmied spielte eine brillante Saison. Die Döblinger verfügten über die beste Verteidigung der Liga und hatten mit Spielgestalter Koller einen internationalen Klassemann in ihren Reihen. Die Vienna war über ihre lange Vereinshistorie immer wieder bekannt für ihr gutes Verteidigungsspiel. Immer aber wenn die Vienna in früheren Zeiten Titel gewann, verfügten die Döblinger auch über ausgezeichnete Stürmer wie Fritz Gschweidl oder Karl Decker. 1954/1955 hatte es anfänglich nicht danach ausgesehen, dass ein Spieler diesen Größen folgen könnte. Erst als der Verein Mut bewies und im Titelkampf einem sechzehnjährigen Nachwuchsspieler vertraute, ging ein neuer Stern am österreichischen Fußballhimmel auf. Die Vienna gewann diesen Titel aber auch deshalb, weil sie in der Frühjahrssaison weiteren jungen Spielern eine Chance gegeben hatte, die unbekümmert ins kalte Wasser sprangen. Zudem hatte es hilfreiche externe Faktoren gegeben. Da waren einerseits einmal zahlreiche Abwanderungen nach Frankreich, die die österreichischen Vereine schwächten, von denen die Vienna aber unbehelligt blieb. Dann erwies es sich als Glück im Unglück, dass die Winter Reisepläne geplatzt waren und die Mannschaft frisch und ausgeruht in das Frühjahr starten konnte. Trotzdem blieb es bis zum Schluss spannend und letztendlich hatte die Vienna auch eine große Portion Glück gebraucht, um den sechsten Meistertitel einzufahren.

 
Teil 4 der Serie (erscheint am 02. Juli 2015) ....