Das lange Warten auf das Derby of Love hatte endlich ein Ende – und führte zu langen Warteschlangen vor den Eingangstoren der altehrwürdigen Hohen Warte. Am 22. August 2014, exakt am 120. Geburtstag des First Vienna FC, kam es in der 4. Runde der Regionalliga Ost zum langersehnten Aufeinandertreffen der beiden Wiener Traditionsklubs, die sich so lieb haben. Und weil man sich, wenn man sich liebt, nicht gegenseitig weh tun möchte, trennte man sich mit einem brüderlichen Unentschieden.
Der Wiener Sportklub bleibt damit in der Tabelle zwar vor der Vienna, aber liebe Freunde aus Hernals: Die Vienna ist als einer von nur mehr drei Klubs immer noch ungeschlagen: Und: Wir sehen uns im Frühjahr wieder …
Fanansturm führt zu Warteschlagen und verspäteten Ankick
Es hat alles gepasst an diesem historischen Freitag, den 22. Die Vorzeichen waren perfekt (der Wiener Sportklub konnte bereits zu Wochenbeginn gegen Admiras Amateure einen Sieg einfahren, die Vienna ging unbesiegt ins Spiel), der Wettergott spielte mit, die Fans beider Lager strömten in Scharen in die Kult-Naturarena.
Dass sie dabei längere Wartezeiten beim Eingang in Kauf nehmen mussten, liegt in der Natur der Sache. Wenn knapp 6000 Fußballfans (gefühlt waren es gut tausend mehr) dabei sein wollen, wenn die Blau-Gelben aus Döbling und die Schwarz-Weißen aus Hernals die Klingen kreuzen, dann kommt es eben zu einem Stau vor dem Stadioneingängen.
Gut 99 Prozent hatten damit auch kein Problem und zeigten Geduld und Verständnis. Dies tat auch das Schiedsrichterteam rund um Aldin Hasanovic, das aus der Steiermark angereist kam. Der Anpfiff wurde um eine akademische Viertelstunde verschoben, damit möglichst viele vom Ankick weg den Protagonisten auf die Beine schauen konnten.
Der Sportklub wusste, was sich gehört
Jene, denen es erst gelang, im Verlaufe der ersten Halbzeit in die Naturarena vorzudringen, versäumten nicht viel. Zumindest kein Tor. Die Vienna begann etwas zielstrebiger, überließ aber nach einer knappen Viertelstunde den Gästen aus Dornbach das Spiel. „Gastfreundschaft auf Döblinger Art“ eben. Wenn man sich Gäste, noch dazu befreundete, einlädt, dann lässt man sie auch spielen. Das gehört sich einfach so.
Und da die Spieler rund um Kapitän Sertan Günes auch „brave“ Gäste waren, wussten sie, wie man sich für Gastfreundschaft bedankt. Sie ließen ihre durchaus vorhanden Chancen ungenützt. Denn: Tore schießen, wenn man auf einem Geburtstagsfest eingeladen ist – das geht gar nicht!
Gutes Benehmen wieder gefragt – auch bei einem Elfmeter
Wie man sich zu benehmen hat, wenn man beim 120-jährigen Jubiläum des ältesten und kultigsten Fußballklubs Österreichs gastiert, wusste auch Rafael Pollack, der nach exakt einer Stunde den Ball bei einem Foulelfmeter (Vienna-Kapitän Dominik Rotter hatte zwar nicht in Suarez-Manier zugebissen, aber doch etwas zu energisch einen Sportkluberer im Strafraum von den Beinen geholt) millimetergenau an den linken Pfosten setzte.
„Wir hatten die besseren Möglichkeiten, hätten das Spiel gewinnen müssen. Wir haben als Geburtstagsgeschenk nur einen statt drei Punkten mitgenommen“, sollte Sportklub-Trainer Kurt Jusits lange nach Spielschluss mit einem Lächeln im Gesicht sagen. Na ja, auch die Vienna hätte den sprichwörtlichen Sack zumachen können.
Fast ein Happy-End und nackte Tatsachen
In der Nachspielzeit hätte es beinahe ein Déjà-vu-Erlebnis gegeben. In Runde 1 war es Andrei Lebedev, der gegen Neuberg den späten Siegestreffer zum 1:0 erzielten konnte. Diesmal hätte Felix Steiner in die Fußstapfen des Weißrussen steigen können. Wäre nicht ein „Hexer“ im Tor des WSK gestanden. Sportklub-Goalie Martin Fraisl verhinderte mit einem Klasse-Reflex, dass es letztendlich bei einer – alles im allem auch hochverdienten – Nullnummer geblieben ist.
Einem Gästefan dürfte es bei dieser Last-minute-Aktion so heiß geworden sein, dass er sich nach Spielschluss die Kleider vom Leib riss und den heiligen Rasen der Hohen Warte kurzfristig in ein Nudistencamp umwidmete. Zum Glück war es ein lauer Sommerabend, eine Verkühlungsgefahr war dadurch nicht gegeben.
Geburtstagsständchen mit Applaus bedacht
Die Fans des Wiener Sportklub bewiesen nach dem Spiel Klasse und steuerten zum 120. Wiegenfest der „alten Dame Vienna“ ein Geburtstagsständchen bei. Die Vienna-Fans wiederum quittierten dies mit einem wohlverdienten Applaus.
Während die Fans beider Mannschaften noch lange in die Nacht hinein feierten, frischten im VIP-Klub die Vienna-Legenden rund um Hans Buzek (der auch den Ehrenkick zum Spiel vornahm) auf. Es war ein Fest unter Freunden – genau das ist es, was man sehen will. Es war sehr schön, es hat uns alle sehr gefreut …
Aufstellung First Vienna FC 1894
Arnberger; Krisch, Rotter, Nikolic, Kröpfl; Lebedev; Gruberbauer (76. Gökcek), Seckel, Kapic (68. Steiner); Apaydin (88. Hofer)
Aufstellung Wiener Sportklub
Fraisl; Drimer, Dimov, Soura, Hevera; Mehic (64. Kracher), Grill, Günes, Kostic (75. Brem); Yunes De Leon, Pollack
Gelb: Günes (58./Foul
Naturarena Hohe Warte, Hasanovic, 5850 (ausverkauft)