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© Karen Rieder

Unterwegs im Abseits, Teil 2: Wien 10, Favoriten

27. August 2014 | Fans zur Übersicht >

Wäre Favoriten - also der 10. Wiener Gemeindebezirk - eine eigene Stadt und nicht wohlig vereint mit der Stadt, in der nur ein Verein den Namen First tragen darf, so wäre dieses Favoriten - gemessen an der Einwohnerzahl - die drittgrößte Stadt Österreichs. Es wird also mit einem ähnlich mächtigen Derby-Zuschauer-Gedränge vor den Stadionkassen zu rechnen sein wie zuletzt beim Derby of Love auf unserer Hohen Warte... oder?

Will man diesen kultigen Wiener Bezirk nun ausgiebig erkunden, muss man sich schon ordentlich Zeit nehmen. Ein kurzes Stunderl vor Spielbeginn wird da nicht ausreichen. Da das jetzt schon furchtbar anstrengend klingt, sollten wir uns gleich zu Beginn mal ordentlich mit Kalorien versorgen. Also gemma zum Tichy. Ja, dem Kulteissalon am Reumannplatz. Aber wisst ihr was? Der war nicht immer dort. Nein! Der Tichy Kurtl ist eigentlich ein Simmeringer und erst 1955 zu seiner heute noch existenten Adresse am Reumannplatz übersiedelt. 1955? Da war doch was? Richtig! Da wurde die Vienna das letzte Mal Meister. Ich vermute mal, dass das alles miteinander irgendwie zu tun hat. Daran, dass die Vienna damals die Simmeringer so gedemütigt hat, dass der Tichy aus lauter Scham nach Favoriten geflüchtet ist, kann es aber nicht liegen. In der Saison 1954/55 haben wir gegen den 1. Simmeringer SC zu Hause 3:2 gewonnen und auswärts 1:0 verloren.

Nachdem der klassische Eisschmerz nun auch wieder weg ist, können wir uns den weiteren Schönheiten von Favoriten hingeben. Ich muss nicht erwähnen, dass der 10. Hieb ein wahres Fußballparadies ist. Abgesehen von dem Verein am Verteilerkreis gibt es da zum Beispiel noch den FavAC. Wer erinnert sich nicht gern an legendäre Sonntag-10:30-Spiele am FavAC-Platz? Herrlich, oder? Übrigens begann die Karriere des Trainers der jungen Violetten, Andi Ogris, bei eben diesem FavAC und ein gewisser Peter Stöger spielte auch mal dort.

Ob wir gegen die Amateure der Austria viel zu lachen haben werden, wird sich zeigen. Grundsätzlich aber ist Favoriten ein lustiges Pflaster. Günther Paal, Andreas Vitasek, Roland Düringer oder die Resetarits-Brüder sind nur einige wenige lebende Unterhaltungskünstler des Landes, die Ihre Wurzeln in Favoriten haben. Der - meiner Meinung nach absolut zu den Unterhaltungskünstlern zählende - unnachahmliche Helmut Zilk ist übrigens auch ein Favoritner gewesen.

Wer es vorzieht, vor dem Match gegen die Violetten etwas im Grünen zu sein, dem wird im 10. Bezirk aber sowas von geholfen. Die Entscheidung zwischen Erholungsgebiet Wienerberg und Großerholungsraum Laaerberg wird nicht ganz so einfach fallen. Das Erholungsgebiet ist jedenfalls flächenmäßig größer als der Großerholungsraum. Ich liebe diese kleinen Spitzfindigkeiten bei der Namensgebung von Umgebungen. Der Biologe wird sich wohl am Wienerberg wohlfühlen. Nachdem die zu Mülldeponien umfunktionierten Ziegelgruben dank städtebaulichem Ideenwettbewerb kurzerhand zum Erholungsgebiet wurden, siedelten sich dann der Große Feuerfalter und die Europäische Sumpfschildkröte an.

Der einfachste Weg um beide Erholungsgebiete ausreichend zu genießen ist jedoch dieser: Vorher Wienerberg und Feuerfalter und danach ab in den Großerholungsraum Laaerberg. Der geneigte Viennafan wird nach einem heißen Match wohl weniger in der - zum Laaerberg gehörenden - Therme Oberlaa anzutreffen sein, sondern viel eher den Weg in den Böhmischen Prater finden. Was für ein kurioses und zugleich herziges Platzerl in Wien, das auch heute noch zeigt, wie multikulti Wien schon immer war. Wer von unseren blau-gelben noch nicht schwindlig gespielt wurde und technisch interessiert ist, sollte das Riesenrad betrachten. Dessen Nabe ruht nämlich auf nur einer Stützkonstruktion. Untermalt vom zarten Spiel des Drehorgel-Franzis und einer wilden Fahrt mit den Alteimern wird diese After-Match-Action zum Entertainment der Sonderklasse.

Ich könnte ganze Bücher über die Schönheiten von Favoriten füllen. Kapitelweise könnte man über den Viktor-Adler-Markt schreiben und Absätze über Wiener Originale würden nur so aus der Tastatur hüpfen, aber wir wollen es ja nicht übertreiben.

Nun ja, solange die Seestadt Aspern noch nicht fertig ist und sich die Donaustadt nicht alle Grünflächen verbauen lässt, wird Favoriten wohl noch ein bisserl länger der einwohnerstärkste Bezirk Wiens bleiben. Hinterlassen wir am Horr Platz - äh, der Generali Arena - einen guten Eindruck, aber keine drei Punkte.

Hey Ho let’s go
Euer Chrimi

Quellen: wikipedia, böhmischerprater.at und wien.gv.at