Wolfgang Slavik, 32, aus Pottenstein, ist der Stadionsprecher auf der Hohen Warte bei Österreichs ältestem Fußballklub, dem First Vienna FC 1894. Als ehemaliger Spieler in Unterligen, der nach zwei Kreuzbandrissen seine Fußballschuhe an den Nagel hängen musste, hat er einen anderen Weg gefunden, dem Fußball erhalten zu bleiben.
Neben seiner Tätigkeit bei der Vienna kommentiert er unter anderem auch noch Fußballspiele für Blinde und Sehbehinderte (Audio 2 – akustische Bildbeschreibung) für den ORF und für „Bundesliga On Ear – das Stadionradio“ bei FK Austria Wien, SK Rapid Wien, SK Puntigamer Sturm Graz und FC Red Bull Salzburg. Doch was macht seinen Beruf als Stadionsprecher beim speziellen Verein First Vienna FC 1894 mit hingebungsvollen Fans aus?
Wie ist deine Verbindung mit der Vienna?
Ich bin durch Zufall dazugekommen, weil der damalige Sprecher im Spital war – und es hat mich gleich interessiert und fasziniert. Das war zu Erste-Liga-Zeiten, 2014. Ich weiß es noch genau, mein Debüt war gegen Austria Lustenau, leider in der Abstiegssaison, aber mir taugt´s einfach total.
War die Vienna schon vorher der Verein deines Herzens?
Das kann man so nicht unbedingt sagen, mein Verein ist eigentlich in Deutschland, Borussia Dortmund. Aber natürlich liegt mir die Vienna auch sehr am Herzen und es ist toll, hier mitarbeiten zu dürfen. Der Klub hat einfach Flair! Die Vienna hat viel Tradition, was mich auch glücklich und stolz macht, auch ein Teil davon sein zu dürfen.
Warum dann die Berufswahl Stadionsprecher?
Stadionsprecher deswegen, weil ich diese Aufgabe nach meiner aktiven Karriere bei meinem Heimatverein übernommen habe. Ich komme aus der Medienbranche, habe eine professionelle Sprecherausbildung gemacht und war über 10 Jahre beim Radio als Nachrichtensprecher tätig. Generell fasziniert es mich und ich bin froh über die Möglichkeit, bei der Vienna dem nachgehen zu dürfen.
Was ist denn per Eigendefinition der Job des Stadionsprechers?
Da steckt schon auch sehr viel Arbeit dahinter. Ich beginne schon daheim mit meiner Vorbereitung und habe ein gewisses Schema. Da schreibe ich mir etwa die Ausgangslage vor dem Spiel auf. Gegner, Statistik, Duelle gegeneinander usw., diverse Sponsorengeschichten und Durchsagen, die ich unbedingt unterbringen muss und Sonstiges wie das „Vienna-Fanvoting“ auf Facebook, wo unsere Fans ihren „Man of the Match“ wählen können. Das gebe ich mehrmals durch. Es hängt sehr viel dran. Je näher es zum Spiel kommt häufen sich die Highlights wie zum Beispiel das Aufwärmen der Mannschaften und Aufstellungen usw.
Gibt es da auch Platz für, sagen wir mal, Entertainment neben den ganzen Verpflichtungen?
Das mache ich eher weniger, das ist auch nicht wirklich so gewünscht. Unsere blau-gelben Fans sind „Old School“ und sehr speziell, daher gibt es bei uns auch etwa einen Dudelsackspieler. Ich will da nicht das Flair wegnehmen und zu sehr modernisieren. Das finde ich einfach nicht passend zur Geschichte des Vereins.
Beeinflussung der Fans auf den Rängen ist also absichtlich zurückgeschraubt?
Ich versuche natürlich schon, Stimmung vor und nach dem Spiel reinzubringen und natürlich bei einem Torerfolg für die Vienna, aber Eingriffe in die Fanszene mache ich nicht.
Besteht ein Kontakt, eine Interaktion mit den Fans abseits des Mikros?
Einige kenne ich natürlich schon und man plaudert immer wieder einmal bei Veranstaltungen wie Spielerpräsentationen usw. wo die Fans vor Ort sind. Ab und zu passiert es aber auch, dass Fans aktiv auf mich zukommen.
Und die gegnerischen Fans, wie lassen die sich beeinflussen? Kann und sollte man einwirken?
In der dritten Liga in Österreich bzw. in der Regionalliga Ost ist das Aufkommen von Gästefans sehr überschaubar, außer es kommen Wiener Klubs. Wünschen würden wir uns natürlich mehr, alleine schon wegen dem Flair und der Stimmung, da macht es auch mehr Spaß, da kommt mehr zurück. Besonders ist bei uns, dass auch Auswärtsfans, wenn in geringer Zahl, auf unserer Haupttribüne Platz finden. Außer bei großen Spielen wie dem kleinen Wiener Derby gegen den Wiener Sportklub. Das war bis jetzt auch eines meiner Highlights, das „Derby of Love“ gegen den Sportklub. Da waren über 8000 Leute auf der Hohen Warte und es läuft alles friedlich ab. Da ist kein Hass, man freut sich einfach auf diese zwei Spiele der Saison dann ganz Besonders, sowohl die Gäste aus Hernals, als auch alle Supporter unserer Vienna. Für den Klub zählt natürlich immer der Aufstieg, aber das Saison-Highlight mit den Duellen gegen den Sportklub, würde man dann leider verlieren.
Highlight ist also das „Derby of Love“?
Absolut, sowohl daheim als auch auswärts, weil es einfach ein Festtag ist. Keine Schmähgesänge und Schimpfereien, alles läuft auf den Rängen sehr sportlich und fair ab und nach dem Spiel wird gemeinsam gefeiert. Für die dritte Liga ist das wohl einzigartig in Österreich, wenn nicht sogar in Europa.
Wie motiviert man sich auch an schlechten Tagen?
Generell kann das jedem einmal passieren, aber man darf es dann niemandem spüren lassen. Solche Situationen kenne ich auch von meiner Arbeit in der Medienbranche als TV-Sportkommentator oder vom Radio. Man muss einfach alles andere ausblenden, private Geschichten und dergleichen und sich dann nur auf seinen Job konzentrieren. Für die Dauer von rund 2,5 Stunden muss man dann einfach fokussiert sein und darf sich nichts anmerken oder sich ablenken lassen. Das ist eben die Kunst dabei.
Was würdest du optimieren, welche Felder kann man verbessern?
Weiterentwicklung ist meiner Meinung nach sehr wichtig und immer gut. Momentan spürt man im Verein, dass etwas weitergeht und das motiviert mich natürlich genauso. Das Drumherum muss passen, von den Nachwuchsteams über den Platzwart, bis nach ganz oben zur Kampfmannschaft und in natürlich auch im Hintergrund in den Büros. Da müssen alle an einem Strang ziehen und jeder Einzelne muss seinen Teil dazu beitragen, damit der ganze Klub First Vienna FC 1894 erfolgreich sein kann. Da ist dann ein Zusammenhalt der Kraft gibt und man ist noch motivierter. Ich entwickle mich natürlich auch selbst weiter und besuche etwa Kollegen, andere Stadionsprecher von anderen Klubs im In-und Ausland und sehe mir an, wie dort ein Spieltag so abläuft. Unter den Kollegen ist also auch ein Zusammenhalt zu spüren.
Adaptiert man da etwas, um nicht von kopieren zu sprechen?
Ich möchte und werde bestimmt nie jemanden kopieren. Jeder sollte sein eigenes Ding machen, aber das obliegt jedem selber.
Macht man den Job gleich ob vor 500 oder 5.000 Besuchern?
Ich gehe im Prinzip immer mit der gleichen Energie in ein Spiel und ziehe mein Ding durch. Angefangen habe ich in der untersten Liga vor vielleicht 100 bis 300 Zuschauern. Aber das ist natürlich absolut nicht zu vergleichen und man kann sich auch bald einmal schnell lächerlich machen. Da ist also schon auch ein gewisses Fingerspitzengefühl gefragt.
Wie bist du in den Verein eingebunden?
Der Kontakt ist mit dem Büro natürlich sehr eng, alleine schon wegen den ganzen Informationen, die ich für meinen Job an einem Spieltag brauche. Ich gebe aber auch immer wieder meine Ideen weiter, aber ein Vienna-Funktionär bin ich nicht. Mehrere Augen sehen aber mehr und da gibt es im ganzen Verein einen Zusammenhalt.
Wie ist dein Zugang zu Musik im Stadion?
Das Thema Musikauswahl ist immer heikel, man kann es nie Allen recht machen. Ich bin selbst Musiker und höre eigentlich fast alles, aber das ist eine Gratwanderung. Hier stehen unsere Fans aber ebenfalls auf Tradition, auf Klassiker wie „Yellow Submarine“ von den Beatles, das bei uns immer nach einem Heimsieg gespielt wird. Das passt einfach zur Vienna, darauf kann man nicht verzichten. Manche Fans kommen aber auch immer wieder auf den Verein mit Musik-Vorschlägen zu, aber da sind die Fans untereinander schon uneinig. Tagesaktuell kann man vereinzelt aber doch eingreifen. Etwa als Prince vor kurzem gestorben ist, haben wir „Kiss“ und „Purple Rain“ gespielt und fast alle Fans sind nach Spielende in der Kurve geblieben und haben mitgesungen. Das sind dann auch ganz besondere Momente. Unsere Fans sind sehr offen, loyal und einzigartig. Das ist einfach die Vienna!
Gibt es No-Gos oder Fehler die dir schon unterlaufen sind?
Was natürlich nicht passieren sollte, ist etwas Falsches zu durchzusagen wie etwas falsche Torschützen usw. Das bleibt dann natürlich immer am Sprecher hängen, auch wenn die Vorabinformation falsch war. Aber eigentlich kann ich mich an so einen Irrtum nicht erinnern, da bin ich ein sehr genauer Arbeiter und setze auf Professionalität. Aber wir sind ja alle Menschen und machen Fehler.
Gibt es eine besondere Verantwortung im Job?
Man hat schon eine gewisse Aufgabe und Verantwortung, wenn beispielsweise das Stadion komplett voll bzw. ausverkauft ist und man muss Sicherheitsdurchsagen auf Anweisung der Exekutive machen. Notfälle, wie eine Stadionevakuierung oder Ähnliches möchte man sich gar nicht ausmalen. Man muss aber immer auf alles vorbereitet sein und in jeder Situation ruhig bleiben und den Überblick bewahren und das mit seiner Stimme dann auch den Zuschauern bzw. Fans vermitteln und rüber bringen.
Wann war es ein guter Spieltag für dich?
Natürlich wenn die Vienna gewinnt! Eine tolle Stimmung, alle sind happy und alle kommen wieder in die Care Energy Naturarena Hohe Warte. Alle im Klub haben einen tollen Job gemacht und alles ist glatt gelaufen. Da freue ich mich dann schon wieder aufs nächste Heimspiel.
Was wäre dein Traum als Stadionsprecher?
Mein Motto lautet: „Step by Step“. Übereilen darf man nichts. Ich bin im Moment wirklich sehr dankbar dafür, hier bei der Vienna den Job des Stadionsprechers ausüben zu dürfen. Aber wenn es einmal weiter hinauf gehen sollte, also vielleicht ein Angebot von einem Bundesligisten kommen sollte, dann freut man sich natürlich sehr darüber, weil das auch ein Zeichen der Anerkennung und seiner guten Arbeit ist. Sag niemals nie, aber ich bin im Moment hier sehr glücklich. Stadionsprecher wäre ich sehr gerne noch für eine lange Zeit und ich bilde mich auch ständig weiter. Fußball gehört einfach zu meinem Leben und das wird auch immer so sein.
Das Interview führte Harald Heeberger für abseits.at