100 Tage bis zum Jahrhundertjubiläum der Hohen Warte
Der Countdown läuft. Heute sind es genau noch 100 Tage bis zum 100-Jährigen Geburtstag der einzigartigen Naturarena von Österreichs ältestem Fußballverein
Gleich vier historische Höhepunkte stehen den Blau-Gelben heuer ins Haus. 100 Jahre Hohe Warte, 90 Jahre Mitropa-Cup, 90 Jahre erster Meistertitel, 10 Jahre Frauenabteilung Neu. Den Anfang des historischen Superlative-Jahrs macht die Hohe Warte, die am 19. Juni 100 Jahre alt wird. Auf der Website www.1894.at laufen die Vorbereitungen bereits an. Ab heute werden die Tage bis zum Ankick des außergewöhnlichen Jubiläumsjahres 2021 heruntergezählt.
Der Mann von Welt trägt beigen Anzug, grauen Hut, weiße Handschuhe und lehnt sich lässig auf seinen Dandy-Stock. Die trendbewußte Dame mit weißem Filzhut hüllt sich in ihren Pelzmantel und hängt sich bei ihrem Begleiter ein. Der Bauchladenverkäufer beeindruckt durch Krawatte und mattglänzende Anzugschuhe. Das mittlerweile legendäre Öl-Gemälde des österreichischen Landschafts- und Porträtmalers Anton Hans Karlinsky zeigt die prallvoll gefüllte Hohe Warte an einem lauschigen Fußball-Nachmittag 1928. Diese pittoreske Kulisse bildet den Hintergrund für den Countdown zur einmaligen Geschichte der Naturarena Hohe Warte.
Am 19. Juni feiert Österreichs sechsfacher österreichischer Meister 100 Jahre Hohe Warte. Schon unmittelbar vor Fertigstellung der blaugelben Heimstätte berichtete die Wiener Presse anno 1921, dass in Döbling Einzigartiges entsteht. „Hier reift in aller Stille ein Werk seiner Vollendung entgegen, das den Ruhm seiner Schöpfer weit über die Grenzen unseres Landes hinaustragen wird.“
Das 110 mal 70 Meter große Spielfeld war von einer 408 Meter langen Laufbahn umgeben. An einer Längsseite und zwei Kurven von einer weit ausgedehnten Böschung umschlossen, die den Großteil der Zuschauer aufnehmen konnte, schmiegte sich der Platz elegant an die Hänge der Hohen Warte. Die Grundfläche maß über 95.000 Quadratmeter.
Entworfen hatte die Anlage Eduard Schönecker. Schönecker war der ältere Bruder von Rapid-Gründungsvater Dionys Schönecker und hatte bereits das Stadion auf der Pfarrwiese erbaut. Nach eineinhalbjähriger Bauzeit wurde die Hohe Warte 1921 fertiggestellt und am 19. Juni mit einem 2:1-Meisterschaftssieg über SC Hakoah eingeweiht. Zur Premiere kamen 12.000 Zuschauer. Das war der Anfang von vielen Pilgerreisen an die Kultstätte im 19. Wiener Gemeindebezirk.
Größtes Stadion Kontinentaleuropas
Lange Zeit galt die Heimstätte der Vienna als Kontinentaleuropas größtes Stadion. Am 15. April 1923, anlässlich des Länderspiels von Österreich gegen Italien, strömten 85.000 Zuschauer ins Stadion. Das war Rekordbesuch. Heute ist die HoWa – so nennen Fans das Wohnzimmer der Blaugelben liebevoll – für 4.568 Zuschauer zugelassen. Mit Zusatzgenehmigung dürfen 7-500 Zuseher in die Naturarena.
Neben der Vienna beherbergte die Hohe Warte von 1921 bis 1936 das österreichische Nationalteam. In den 30er Jahren galt das sogenannte Wunderteam unter Teamchef Hugo Meisel als das weltbeste Nationalteam.
Die sportliche, historisch-kulturelle und soziale Vielschichtigkeit machte die Naturarena über die Jahrzehnte zur einzigartigen Begegnungsstätte. Zeitweilig fanden auch andere sportliche Veranstaltungen wie zum Beispiel Boxen, Laufen, Speedway, Landhockey, American Football und Rugby sowie kulturelle Highlights wie Giuseppe Verdis Oper Aida oder Pop-Konzerte von Bob Dylan, Rod Stewart, INXS und Ostbahn-Kurti ihr temporäres Zuhause in Döbling.
Vorbehaltlose Aufarbeitung der Geschichte
Am 11. März 1938 befahl Adolf Hitler den Einmarsch der Wehrmacht in Österreich. Der Anschluss an das nationalsozialistische Deutsche Reich bedeutete auch für den First Vienna Football Club 1894 eine bittere, wenn auch bislang wenig detailliert dokumentierte Zäsur.
Das Präsidium der Vienna hat vergangenen Herbst die vorbehaltlose Aufarbeitung der Vereinsgeschichte in dieser Zeit beschlossen. Alexander Juraske, Publizist, Autor von „Blau Gelb ist mein Herz“ und Vereinshistoriker hat sich diesem Thema angenommen. Die wissenschaftliche Arbeit wird vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sowie vom Zukunftsfonds der Republik Österreich unterstützt.
KEIN PLATZ FÜR DISKRIMINIERUNG
Die Hohe Warte zeichnet seit jeher eine lebendige, bunte und kreative Kultur aus. Die eigene Mannschaft wird von der blau-gelben Familie mit Verve und Augenzwinkern angefeuert. Der gegnerischen Elf wird respektvoll auf Augenhöhe begegnet.
Auf der Hohen Warte heißt die Vienna alle Menschen willkommen – egal, welcher Herkunft, Religion oder Hautfarbe. Dieser Grundsatz, ein ganz wichtiger Teil der DNA, findet sich auf der Tribüne der Hohen Warte wieder. KEIN PLATZ FÜR DISKRIMINIERUNG, steht in fetten Buchstaben geschrieben. Zudem hat Vienna die Spielregeln des Miteinanders in den Vereinsstatuten (§ 22 Anti-Diskriminierung) definiert.
Einen wichtigen Anteil an der klaren Positionierung hat die engagierte Fanszene, allen voran der Dachverband der Vienna Supporters. Das blau-gelbe Fan-Bekenntnis deckt sich mit dem Werteraster der Vienna. Neben Tradition, Integration und friedlichem Miteinander basieren die blaugelben Werte auf den Vorgaben und dem Motto der Gründungsväter: „Einig Spiel führt zum Ziel.“
Dieses Erbe wird auf der Hohen Warte gepflegt und gehegt. Nicht nur im Jubiläumsjahr, sondern immer.