Fankultur à la Döbling - von „Kleinen Pommes“ zum Dachverband
Als ältester Fußballverein Österreichs hat unsere Vienna neben ihrer langjährigen Geschichte und Tradition vor allem eine lebendige und bunte Fankultur anzubieten. Vienna-Fans gibt es vermutlich bereits seit 1894. Blickt man ins Archiv, wird man bald erkennen, dass zu den Spielen der Nationalmannschaft wesentlich mehr Zuschauer auf die Hohe Warte strömten als zu jenen der Vienna. Trotz alledem gab es über die Jahrzehnte hinweg immer ein treues Stammpublikum und sicher auch die einen oder anderen Schlachtenbummler, welche die Vienna auch zu den Auswärtsspielen begleiteten.
Die Geschichte einer „Fankultur“ im Sinne eines organisierten Supports auf der Hohen Warte beginnt wohl Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, wo sich auf fankulturellem Brachland die so genannten „Kleinen Pommes“ zu den „Döblinger Kojoten“ formierten (damals noch auf der Arenaseite) und „Weirdoz“, „Old Firm“, „Yellow Submarines“ sowie andere kleinere Fangruppen mit mehr oder weniger organisiertem Support den Grundstein für die über die Jahre gewachsene lebendige Fankultur legten. Dabei orientierte man sich stark am britischen Stil des Supports, was sich auch im dargebotenen Liedgut manifestierte.
Trotz der losen Organisationsstruktur wurden bald auch gemeinsame Auswärtsfahrten und Fanturniere veranstaltet, sowie Fanartikel und Fanzines produziert und so fanden in den 90er Jahren weitere Fans den Weg in den Fanblock. Der gemeinsame Nenner der blau-gelben Fankultur liegt sicher im positiven Support der Mannschaft und dem respektvollen Umgang mit gegnerischen Fans und SpielerInnen. Auch der sportliche Niedergang in die Untiefen der Regionalliga 2001 hielt die Fans nicht davon ab, Freitagabend ihre Vienna im Stadion Hohe Warte bzw. auf diversen Sportplätzen Ostösterreichs stimmkräftig anzufeuern.
Zu den Motivdimensionen der Vienna-Fans hat sich der Autor dieser Zeilen im Rahmen seiner soziologischen Abschlussarbeit („Blau-gelb ist mein Herz – ich sterb in Döbling“) den Kopf zerbrochen und kam dabei zu keiner eindeutigen Antwort auf die Frage, warum Mensch sich das antut. Zusammenfassend kann aber festgehalten werden, dass neben der emotionalen Verbundenheit und Identifikation mit dem Verein sowie dem Spannungsmoment während der Spiele im Stadion, vor allem auch das soziale Ereignis des Stadionbesuchs im Mittelpunkt der Motivationslagen steht.
Das gemeinsame Mitfiebern und lautstarke Anfeuern, vor allem innerhalb des Fanblocks, aber auch die Diskussionen vor und nach dem Spiel sind mindestens genauso wichtig wie das Spiel selbst. Und wer über die Jahre hinweg regelmäßig auf die Hohe Warte pilgert bzw. nach den Spielen den Weg ins Tennisstüberl findet, wird sein Platzerl innerhalb der „Vienna Family“ finden. Frei nach Mix: „Des is wos Spirituelles - des kann ma net erklären - des muaß ma afoch tuan.“ Einblicke in die leidgeprüfte blau-gelbe Fanseele erlaubt der 2006 von Fans produzierte Dokumentarfilm „Es geht sich immer nicht aus“, welchen ich allen LeserInnen, denen dieser Film nicht bekannt ist, dringend empfehlen möchte.
Im Laufe der Ostligajahre gesellten sich wider Erwarten immer wieder neue AnhängerInnen zu den altgedienten Fans hinzu. Das sieht man auch bei den Heimspielen – der Fanblock im Stadion Hohe Warte ist über die Jahre hinweg deutlich gewachsen, neue SupporterInnen und Fangruppen bereicherten die blau-gelbe Fangemeinde. Allen voran die „Vienna Wanderers“, die dem Fanblock neues Leben (Choreographien, neues Liedgut, Fanzines etc.) eingehaucht haben, aber auch andere Gruppen wie „Antifa Döbling“, „Partizan Rothschild“ oder die „Plüschponybande“ sind heute neben den älteren Fanklubs aktiver Bestandteil der Döblinger Fankulturlandschaft. Erfreulicherweise erhöhte sich in diesem Wachstumsprozess auch der Anteil an weiblichen Viennafans stetig.
Die Fankultur im Stadion Hohe Warte zeichnet sich nach wie vor insbesondere durch seine große Heterogenität aus, das macht sie auch so reizvoll. Bei aller Verschiedenheit der SupporterInnen aus unterschiedlichsten Milieus steht die „Vienna-Family“ für den Grundkonsens: Blau-Gelb supporten, homophobe, rassistische, sexistische bzw. herabwürdigende Äußerungen/Anfeindungen unterlassen, auf gewalttätige Auseinandersetzungen verzichten! Das zeigen wir auch durch regelmäßige Aktionen (Choreos, Fanartikel, Fanzines, Banner, Sticker etc.) inner- und außerhalb des Stadions. Neben einer Repolitisierung (Aktionen u.a. gegen Homophobie, Rassismus, Repression (§ 278a) und Abschiebungen (FC Sans Papiers)) war vor allem die Selbstorganisation der Fankurve ein wichtiger Schritt.
Im Zuge der sportlich und wirtschaftlich schwierigen Situation des Vereins in der Frühjahrssaison 2014 gelang es einem motivierten Team aus AnhängerInnen verschiedener Fanclubs den Fan-Dachverband der „First Vienna Football Club 1894 Supporters“ aus der Taufe zu heben. Er steht als zentrale Anlaufstelle allen SympathisantInnen des First Vienna Football Club 1894 offen. Ziel der Initiative war es die Vienna-Family näher zusammenzubringen und das kreative Potenzial im Fanblock zu bündeln, um unsere Mannschaft bestmöglich zu unterstützen und das Vereinsleben aktiver mitgestalten zu können.
In der Vergangenheit unterstützten Fans den Verein bei Infrastrukturverbesserungen im Stadion Hohe Warte sowie im Nachwuchszentrum in der Spielmanngasse und produzierten auf eigene Kosten Fanzines bzw. Plakate, die dazu beigetragen haben, Interessierte für die Heimspiele zu mobilisieren. Außerdem gab es mehrere Aktionen im Fanblock, unter anderem große Choreographien zum 120-jährigen und 125-jährigen Vereinsjubiläum.
Der Fan-Dachverband der Vienna Supporters konnte in seinem kurzem Bestehen bereits über 100 Mitglieder gewinnen und möchte noch mehr blau-gelbe Fans an Bord holen. Gerade jetzt ist es wichtig, das gewachsene Fanpotenzial zu halten, um nicht noch weiter in die fußballerische Bedeutungslosigkeit abzusteigen. Auch wenn die Ostliga für manchen Fan einige Vorteile bieten mag (kurze Auswärtsfahrten, abwechslungsreiche Kantinen, weniger Kommerzialisierung, weniger Disziplinierung und Kontrolle, mehr Freiräume etc.), muss das mittelfristige Ziel der Wiederaufstieg sein.
Am 22. August 2019 feierte die Vienna als ältester österreichischer Fußballverein ihr 125-jähriges Bestehen. Trotz des abermaligen Abstiegs wünschen wir Fans uns vor allem zweierlei: dass die Vienna weiterhin in der altehrwürdigen Naturarena auf der Hohen Warte seine Heimspiele austragen kann und der Verein langfristig wirtschaftlich auf solide Beine gestellt wird.
Diese Neuaufstellung des Vereins kann aber nur gemeinsam mit der Hilfe aller Beteiligten gelingen. Gegenseitiger Respekt und eine transparente Informationspolitik seitens der Vereinsverantwortlichen seinen Mitgliedern, SponsorpartnerInnen und vor allem auch seinen Fans gegenüber sind dabei unabdingbar. Abschließend möchte ich allen Fans der Blau-Gelben folgende Zeilen des Vienna Urgesteins Curt Reinisch ans Herz legen:
„In guten Zeiten kann man leicht ein Viennafan sein, aber in schlechten muss man beweisen blau-gelb zu sein. Man muss dem Verein einfach die Treue halten!“